Das Kindle Scribe 2 und das reMarkable Paper Pro sind die Paper-Tablet-Flaggschiffe des Jahres und buhlen beide um den Platz des Klassenprimus. Während Pionier reMarkable auf ein farbiges E-Ink-Display sowie hochpreisige Qualität bei Material und Zubehör setzt, möchte Amazon-Tochter Kindle mit XY punkten. Ich gehe in diesem Artikel auf die Unterschiede der beiden Geräte ein.
Unsere Wertung
Kindle Scribe 2 deutlich preisgünstiger
Werfen wir zunächst einen Blick auf den Preis. Das reMarkable Paper Pro beginnt bei 649 €. Dafür erhält man das Gerät selbst mit 64 GB Speicher und den Standard-Pen. Der Premium-Pen kostet 50 € Aufpreis, mögliche Folios bleiben hier mal außen vor. Das Kindle Scribe 2 beginnt bei 419 € für 16 GB Speicher und Premium-Pen. Mit vergleichbaren 64 GB liegt das Kindle Scribe 2 dann bei 469 €, das reMarkable Paper Pro mit Premium-Pen bei 699 €.
Amazon geht mit den drei verschiedenen Preisklassen wie üblich den „für fast jeden-Weg“. Faktisch sind für E-Books und Notizen 16 GB, die Platz für rund 26.000 (!) Bücher bieten, für die meisten Nutzer völlig ausreichend. In meinem Test zum Kindle Scribe gehe ich auf die verschiedenen Speicherkapazitäten ein und stelle fest: 64 GB braucht zum Beispiel jemand, der Hörbücher auf dem Gerät speichern will. Ebenfalls etwas mehr Speicherplatz brauchen PDFs und JPEGs.
Damit machen sowohl Speicherplatz als auch Preisklasse klar, dass die beiden Paper-Tablets sich an größtenteils unterschiedliche Nutzergruppen richten. Während Amazon mit dem Kindle Scribe 2 insbesondere in der einigermaßen günstigen 16-GB-Version sich an Personen richtet, die im privaten oder schulischen oder niederschwellig beruflichen Kontext lesen, Notizen machen, zeichnen oder auch mal Hörbücher hören wollen.
ReMarkable spricht von vornherein den intensiveren Nutzer an, durchaus auch jene, die die Vorteile des Geräts im beruflichen Bereich explizit nutzen können – beispielsweise die Möglichkeit, das Bild vom Paper Pro live zu übertragen. Bücher lesen ist eher ein unwesentliches Feature, Hörbücher gehen mit dem reMarkable Paper Pro mangels Sound-Ausgabe oder Bluetooth-Verbindung gar nicht.
Die wesentlichen Unterschiede auf einen Blick
Ich habe jetzt schon ein paar Unterschiede angesprochen. In der nachfolgenden Tabelle möchte ich die wichtigsten Punkte im Vergleich aufzeigen:
Kindle Scribe 2 | reMarkable Paper Pro | |
Preis ab | 419,99 € | 649 € |
Display | 10,2 Zoll, SW | 11,8 Zoll, Farbe |
Beleuchtung | adaptiv + manuell | manuell |
Auswahl an Vorlagen ab Werk | 24 | 32 |
Speicherkapazitäten | 16/ 32/ 64 GB | 64 GB |
Pixeldichte | 300 ppi | 229 ppi |
Handschrift umwandeln | Ja, Mail mit txt-Datei per Mail | Ja, direkt auf Gerät im Dokument |
Synchronisierung mit App/PC | nur bedingt | Ja |
Tastatur möglich? | Nein | Ja |
Gehäusematerial | Kunststoff | Aluminium |
Hörbücher möglich? | Ja | Nein |
E-Book-Formate | AZW3, AZW, TXT, PDF, ungeschützte MOBI, PRC nativ; DOCX, DOC, EPUB, RTF (konv.) | ePUB, PDF |
Bluetooth-Schnittstelle | Ja | Nein |
Gewicht | 433 g | 525 g |
Sonstiges | Starker SW-Kontrast, direkter Zugriff auf Kindle-Shop, Dark Mode, Premium-Pen ist Standard | Live-Übertragung, mit Abo Bearbeitung der Notizen auch in App/PC |
Der Kindle Scribe 2 punktet zunächst mit einer Sache, die man eigentlich fast erwarten möchte: Adaptives Licht ist bei einem Paper-Tablet oder E-Book-Reader seit gut zwei Jahren Standard und meines Erachtens fast Pflicht. Generell ist das reMarkable Paper Pro erstaunlich schlecht ausgeleuchtet, das Kindle kommt mit deutlich mehr Leuchtkraft.
Die Bluetooth-Schnittstelle und die Möglichkeit, Hörbücher zu hören, sind wahrscheinlich für viele E-Book-Reader-Nutzer ein echtes Totschlag-Argument. Dazu kommt bei Amazon natürlich die Einbindung in das hauseigene Ökosystem mit Prime Reading, Kindle unlimited und Audible, auf das man selbstverständlich direkt vom Scribe 2 aus zugreifen kann. Für Menschen, die in ihrem E-Notizbuch ein multifunktionales Gerät suchen, führt dadurch quasi der Weg schon direkt zum Kindle Scribe 2.
ReMarkable für Job und Kreatives
Das reMarkable kommt dann in Fahrt, wenn es um die satte Nutzbarkeit als richtiges Arbeitsgerät geht. Die direkte Übersetzung von Handschrift in Reinschrift auf dem Gerät im Dokument ist einfach ganz was anderes, als die txt-Datei, die der Kindle einem per Mail schickt – nachdem die ganze persönliche Notiz über den Amazon-Server und dessen KI gelaufen ist. Die Möglichkeit, über das Type-Folio eine Tastatur anzuschließen und damit voll konzentriert auch lange Texte bequem verfassen zu können, ist für Autoren zum Beispiel fast ein Must-Have. Das kann das Scribe 2 schlichtweg nicht.
Dann wäre da noch die Synchronisierung. Zwar kann ich beim Kindle Scribe 2 meine Notizen in der Kindle App anschauen oder mir das Ganze als PDF schicken, das war’s dann aber auch schon. Beim reMarkable Paper Pro synchronisieren sich sowohl Smartphone- als auch Desktop-App und bieten die direkte Möglichkeit des Downloads als PDF. Das ist ein bisschen geschmeidiger, als bei Amazon.
Interessant wird’s mit reMarkable Connect, dem Abo für 2,99 € im Monat, denn damit kann man die Notizen nun auch an Handy und PC bearbeiten und das synchronisiert sich dann auch wieder mit dem Paper-Tablet.
Design, Displays und E-Book-Reader
Dann hätten wir da noch die Design-Frage sowie die Sache mit dem Farb-Display. Das farbige E-Ink des reMarkable Paper Pro ist gerade für kreative Köpfe ein Tüpfelchen auf dem i. Die Farben sind freilich eine sehr pastellige Sache und die Auswahl an farbigen Stiften und Markern ist auf 9 Farben beschränkt. Aber man hat eben Farbe – und übrigens auch ein paar mehr unterschiedliche Stifte und Pinsel. Nur der extrem häufige Seitenaufbau beim ständigen Wechsel zwischen Schwarz und Farbe wirkt etwas holprig.
Dafür glänzt das Kindle Scribe 2 mit einem wirklich satt-kontrastreichen SW-E-Ink-Display. Hier ist das Schwarz wirklich Schwarz, während es beim reMarkable sichtbar eher ein dunkles Blau ist. Wer beispielsweise Bleistift-Zeichnungen machen möchte, dem dürfte dieser Schwarzwert gut gefallen.
Wenn es um die reine Schönheit des Geräts geht, hat das reMarkable Paper Pro mit dem sehr dünnen Aluminium-Gehäuse und dem extrem schlangen Rand klar die Nase vorn. Das Kindle Paper Pro hat dafür einen praktischen „Haltestreifen“ für Leser.
Zu guter Letzt möchte ich die Funktionalität als E-Book-Reader noch kurz ins Visier nehmen. Da ist das Kindle Scribe 2 einfach der klare Sieger. Warum? Weil man damit so viel besser umblättern kann. Mit einem flotten Tippen an den Rand ist die nächste Seite in einer Sekunde da. Beim reMarkable gibt es dieses Blättern per Tippen nicht, man muss wischen. Das Wischen ist aber leider enorm ineffektiv und es braucht oft mehrere Anläufe. Das trübt den Spaß beim Lesen deutlich.
Kindle Scribe 2 oder reMarkable Paper Pro?
Wenn sich nun die Frage stellt, welches Produkt das Bessere ist, dann ist die Antwort ein ganz klares „Es kommt drauf an“. Es kommt nämlich sehr drauf an, WER das wissen möchte. Ich lasse hierbei bewusst zunächst den Preis außen vor, der selbstverständlich auch für viele Nutzer eine Rolle spielt.
Wer ein Alltags-Paper-Tablet möchte für handschriftliche Notizen, Bücher lesen oder Skizzen zeichnen, der findet im Kindle Scribe 2 den passenden Begleiter. Zusätzliche Argumente sind das Adaptive Canvas (für Notizen direkt in Bücher), der Amazon-Kosmos mit Buch-Shop und die Möglichkeit, damit auch Hörbücher anzuhören. Wer letzteres möchte, der ist sogar auf das Kindle Scribe 2 beschränkt.
Wer ein Arbeits-Paper-Tablet möchte, mit dem er nahtlos auf dem Gerät selbst, an Smartphone und PC Notizen bearbeiten, eine Tastatur anschließen und damit drauf los tippen kann oder sogar das, was gerade auf dem Display passiert, live übertragen und so Präsentationen oder Workshops interaktiver gestalten möchte, für den ist das reMarkable Paper Pro die erste Wahl.
Fokussierte Momente schaffen
Ich persönlich mag den „Für jeden“-Gedanken von Amazon, die mit dem vergleichsweise niedrigen Einstiegspreis und regelmäßigen starken Reduzierungen während der vielen Shopping-Events, das Produkt Paper-Tablet für eine breitere Masse zugänglich machen. Die Nutzung solcher Geräte hat ja nicht nur das Argument des Komforts, sondern auch einen gewissen Umwelt-Aspekt (Stichwort weniger Papier-Verbrauch) sowie das Schaffen von ruhigen, fokussierten Momenten in einer Zeit, die viele Reize bietet.
Auf der anderen Seite ist das reMarkable Pro, das Technik und Eleganz zu einem sehr hochwertigen Produkt vereint. Hier gefällt mir die Möglichkeit, es als Schreibgerät zu nutzen, das im Grunde die Vorteile der Gegenwart mit der Entschleunigung der Vergangenheit verbindet. Einfach schreiben, ohne knallende Farben, Emails, die Möglichkeit „nur mal schnell“ was im Internet zu schauen.
Einen eindeutigen Sieger kann man in diesem Vergleich also tatsächlich nicht küren, denn die angesprochenen Nutzer haben zu unterschiedliche Bedürfnisse. Mein Wunschprodukt wäre vermutlich das Kindle Scribe 2 (wegen der besseren Nutzbarkeit als E-Book-Reader), aber mit der Möglichkeit, es durch Anheften einer Tastatur als Schreibmaschine zu nutzen.