E-Ink-Notizbücher gibt es schon eine Weile und von verschiedenen Marken. Doch ein Name wird damit im Wesentlichen verbunden, quasi als Pionier auf dem Gebiet: reMarkable. Ich wollte nun wissen, was dran ist am Mythos und habe das brandneue reMarkable Paper Pro inklusive Pro-Pen, Type Folio und Book Folio zum Test zitiert.
reMarkable Paper Pro: technische Details
- Display: Canvas Color (Gallery 3 E-Ink)
- PPI: 229
- Größe: 11,8 Zoll
- Gewicht: 525g (ohne Folio)
- Prozessor: 1.8 GHz quad-core Cortex-A53
- Speicher: 64 GB
- RAM: 2 GB LPDDR4 RAM
- Menüsprache: Englisch (nicht wählbar)
reMarkable Paper Pro: Ein Stück Lifestyle
Eine Sache, für die reMarkable ähnlich wie eine beliebte Marke mit Apfel im Firmenlogo steht, ist der Lifestyle, den man damit verbindet. Wenn man das entsprechende Kleingeld dafür zu zahlen bereit ist, dann erhält man ein sehr hochwertiges, schönes Gerät. Das Alu-Gehäuse liegt kühl und edel in der Hand, das Display schmeichelt den Fingerspitzen. Das Gehäuse ist super-schmal und misst gerade mal 5 Millimeter Dicke. Zugleich ist das Design der Front so gestaltet, dass das Aluminium-Gehäuse nur knapp 2 Millimeter breit das Display umgibt.
Der papierfarbene „Rahmen“ ist in den Bildschirm integriert, sodass hier kein physischer oder farblicher Übergang das Auge und die Haptik stört.
Das reMarkable Paper Pro steht zugleich auch für Momente ohne Ablenkung. Es gibt keine Apps, keinen Browser, kein Outlook. Keine Mail kommt rein, keine Push-Nachricht stört. Das E-Ink-Display mit seiner gedämpften Farbgebung sorgt für Ruhe im Kopf, fernab von blinkenden Websites, Gifs und Werbebannern. Schaltet man die seitliche Leiste mit den Tools blind, dann hat man nichts als ein digitales, weißes Blatt Papier vor sich. Mit einem reMarkable geht man quasi back to the roots, wo das Schreiben eine besondere Disziplin, eine Art der Meditation und tiefer Kreativität war.
Das heißt aber eben auch, dass das reMarkable Paper Pro letztlich auch wirklich NUR dafür gedacht ist: Schreiben, Notieren, Lesen. Wobei Lesen für E-Books ausschließlich im epub-Format gilt. Ansonsten gehen noch pdf. Das reMarkable Paper Pro ist also ein höchst spezialisiertes Gerät mit einer ganz klaren Lebensart-Botschaft.
Ich persönlich finde den Ansatz interessant, zugleich aber auch sehr auf eine spezielle Personengruppe zugeschnitten. Es ist nicht für jeden, will es vermutlich auch nicht sein. Das reMarkable Paper Pro ist zum Beispiel für kreative Köpfe, die eine Pause brauchen vom Blingbling, für jene, die gerne Notizen machen, aber immer die Zettel verlieren, für meditative Tagebuchschreiber, für passionierte Köche, die ihre Rezepte für die Ewigkeit „zu Papier“ bringen wollen.
Schreiben und Zeichnen mit dem reMarkable Paper Pro
Die wesentliche Aufgabe des reMarkable Paper Pro ist, dass man darauf gut schreiben und zeichnen kann. Dafür ist die Oberfläche, also der Bildschirm, so beschaffen, dass es sich darauf schreibt, wie auf Papier. Schreibt es sich denn wie auf Papier? Ich würde sagen: Es schreibt sich sogar besser, als auf Papier. Die Hand ermüdet weniger schnell (wenn man Handschrift nicht mehr so gewohnt ist), es ist leicht und angenehm, den Stift zu führen. Wer beispielsweise von Natur aus oder krankheitsbedingt zu Zittern neigt, für den ist das Schreiben auf einem reMarkable tatsächlich leichter und machbarer, als auf Papier. Dasselbe gilt für das Zeichnen. Es geht super-angenehm von der Hand.
Das kann ich also ganz klar sagen: Es schreibt und zeichnet sich absolut hervorragend auf dem reMarkable Paper Pro.
Hanschrift in Text umwandeln
Eine Sache, die Freunde von reMarkable Paper-Tablets gern als großen Vorteil hervorheben, ist die schnelle Konvertierung von Handschrift in Druckschrift. Natürlich hab ich auch das für euch ausprobiert. Man schreibt dazu einen beliebigen Text mit der Hand, wählt dann in der Toolbar das Markieren-Werkzeug aus und zieht einen Kringel um den Text.
Kaum ist der so markiert, wird einem schon angeboten, ihn zu konvertieren. Einmal draufgetippt und schon wandelt sich die Handschrift in getippten Text. Wichtig ist dabei, dass man vorher die Sprache eingestellt hat, sonst klappt die Erkennung der Wörter nicht. Passt das aber, ist das reMarkable Paper Pro ziemlich treffsicher, was die Übersetzung angeht. Meine Handschrift ist, sagen wir, okay. Der Kumpel mit der ordentlichen „Sauklaue“ hat’s geschafft, das Tablet punktuell an seine Grenzen zu bringen. Aber gut, dafür, dass man extra grausig kritzelt, ist das Paper Pro nun wirklich nicht gedacht.
Kaum ist der Text konvertiert, befindet sich nur noch der getippte Text auf dem Blatt.
Texte und Elemente herumschieben
Grundsätzlich kann man Text und Gemaltes mit Hilfe des Markieren-Tools einigermaßen intuitiv packen und verschieben. Dabei gibt es für alles Handschriftliche innerhalb der Papierfläche keine Grenzen. Für getippten/konvertierten Text aber schon. Dem steht nur eine bestimmte Spalte in zwei möglichen Breiten in der Mitte des Blattes zur Verfügung.
Dabei sind die Zeilen des Textes nicht unbedingt an die Zeilen, die man beim Papier gewählt hat, angepasst. Das fiel mir beim Schreiben mit dem Type Folio auf. Egal wie, die Schrift lag nicht auf den Zeilen des von mir angelegten Notizbuchs und ließ sich dorthin auch nicht bewegen. Wer’s optisch einwandfrei möchte, der nimmt für getippten Text lieber ein leeres Blatt.
Stifte und Farben zur Auswahl
Dem Nutzer stehen verschiedene „Stifte“ und drei Strichstärken zur Auswahl. Dazu gehören beispielsweise Pinsel, Kalligraphiefeder oder Tintenroller. Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Stiftarten sind durchaus sichtbar, wobei sie natürlich ihr echtes Pendant nur teilweise nachahmen können. Für schöne Tagebucheinträge oder lebendige Notizen reicht es vollkommen.
Bei den Farben stehen insgesamt 9 zur Auswahl. Neben Schwarz (das an sich eher ein sehr dunkles Blau ist), gibt es noch (Pastell-) Gelb, Grün, Rot, Blau und Cyan, Grau, Rosa und Weiß. Bei Marker (der übrigens sehr schön markiert), tauscht sich Schwarz gegen Orange. Da ist es eigentlich ein bisschen schade, dass Orange nicht bei den normalen Stiften zur Verfügung steht, weil die Farbe ist recht hübsch.
Der weiße Stift ist indes irgendwie sinnlos – sofern man nicht ein dunkles PDF mit Bemerkungen versehen möchte, denn das Paper Pro selbst verfügt über keine dunklen Hintergründe.
Lesen kann man mit dem reMarkable Paper Pro auch
Selbstverständlich kann man mit dem reMarkable Paper Pro auch lesen. Unterstützt werden dabei die Formate PDF und ePUB. Mit entsprechenden Add-Ins können außerdem Word- und Powerpoint-Dokumente gelesen und mit Anmerkungen versehen werden. Außerdem kann man Jpeg-Bilder auf das reMarkable laden.
Der Seitenaufbau geht super-zügig vonstatten – hier kommt die Stärke des E-Ink Gallery 3 Displays zum Tragen. Weniger zügig ist das Blättern, auf das das Paper Pro manchmal einfach nicht korrekt reagieren möchte. Ein bisschen stört es mich außerdem, dass man zum Blättern wirklich wischen muss, es gibt kein einfaches an den Rand tippen zum Aufrufen der nächsten oder vorherigen Seite.
Was man übrigens nicht kann, ist Hörbücher hören. Das ist ein Feature, das viele E-Book-Reader integriert haben und welches dem reMarkable fehlt. Es ist nicht möglich, Kopfhörer per Bluetooth zu verbinden (das Gerät hat keine Bluetooth-Schnittstelle), Lautsprecher hat es eh nicht.
Synchronisation mit Handy und PC
Damit man nahtlos von der Notiz am reMarkable Paper Pro zur Ansicht auf dem PC oder zum Versenden per E-Mail übergehen kann, ohne lange Dateien irgendwo hin zu schieben, kann man das Paper-Tablet mit Handy oder PC synchronisieren. Dazu gibt es entsprechende Apps für die jeweiligen Geräte von reMarkable.
In der kostenlosen Version enthalten ist dabei, dass sich die Geräte synchronisieren und man die Dateien vom reMarkable als PDF Verwenden und Versenden kann.
Möchte man die Dateien auch bearbeiten oder gar am Smartphone/PC erstellen und dann weiter am Paper Pro bearbeiten, kostet das ein kleines monatliches Abo-Entgelt von 2,99 Euro. Leistet man sich reMarkable Connect, erhält man diese Funktionen, einen Protection Plan und unbegrenzten Cloud-Speicher. Das kann für kreative Köpfe durchaus eine lohnenswerte Investition sein.
Das beste farbige E-Ink-Display?
Das Display des reMarkable Paper Pro ist sehr angenehm anzuschauen und Schrift, Markierungen und Zeichnungen werden satt dargestellt. Es ist ein schönes E-Ink-Display, die ppi-Zahl von 229 sorgt dafür, dass nichts pixeliger wirkt, als es müsste.
Das E-Ink-Display ist definitiv State of the Art. Das „beste farbige“ Display ist es indes nicht, es entspricht dem, was alle in einigermaßen namhaften Farb-E-Readern verbauten E-Inks liefern. Tatsächlich stammen die guten farbigen E-Ink-Displays, wie man sie im reMarkable Paper Pro, im Kindle Colorsoft oder im Tolino Vision Color findet, alle von demselben Hersteller, nämlich „E-Ink“. Im reMarkable steckt das Gallery 3 Display, das sich besonders durch den schnellen Seitenaufbau auszeichnet und sich entsprechend wohl besser zum Schreiben eignet. Das Kaleido 3, das man in anderen farbigen E-Readern findet, soll die brillanteren Farben bieten. Bei allem gilt der Zusatz „für ein E-Ink-Display“. Denn:
Die Farben sind auch hier, egal ob Gallery 3 oder Kaleido 3, weit vom Original entfernt. Der Aufbau der Farben dauert sichtbar. Möchte man beispielsweise etwas in Rot schreiben, wird die Schrift erst in Schwarz angezeigt und dann beim Absetzen des Stiftes auf Rot umgestellt. Der Bildschirm flackert hierzu kurz auf, da sich das Gesamtbild neu aufbaut.
Tippt man Text mit dem Type Folio ein und malt dann bunte Markierungen dazwischen, werden diese auf Grau umgestellt, sobald und solange man wieder tippt.
Ist das nun ein Merkmal für schlechte Qualität? Nein. Das ReMarkable Paper Pro verfügt über ein sehr gutes E-INK-Display. Es hat aber entsprechend auch die Schwächen, die diese Art von Displays bietet und liegt von der Qualität her auf einer Stufe mit anderen namhaften Herstellern.
Keine adaptive Beleuchtung, kein Dark Mode
Was ich beim Display tatsächlich vermisst habe, ist die adaptive Beleuchtung. Dass sich die Helligkeit des Bildschirms automatisch an die herrschenden Lichtverhältnisse anpasst, ist eine Komfort-Funktion, die ich bei einem Produkt dieser Preisklasse eigentlich erwarte. Warum es kein adaptives Frontlicht gibt, ist mit Blick auf das Design des reMarkable Paper Pro natürlich verständlich.
Der für die Erkennung der Lichtverhältnisse nötige Sensor muss irgendwo sitzen. Genau genommen sitzt so ein Sensor natürlich im Rahmen, im oberen Bereich. Dort würde dieser Sensor aber im Grunde einen Makel im sonst so kaum auffallenden Rahmen darstellen. Hinten ergibt er keinen Sinn und seitlich ist das Gerät zu schlank.
Neben der adaptiven Beleuchtung fehlt dem reMarkable Paper Pro auch ein Dark Mode. Das ist, genauso wie die adaptive Beleuchtung, etwas, was das Kindle Scribe bereits in der ersten Generation konnte.
Grundsätzlich ist das Frontlicht des Paper Pro vergleichsweise dunkel, selbst auf höchster Stufe. Das kann das Lesen manchmal anstrengend für die Augen machen, beispielsweise bei schlechteren Lichtverhältnissen (Dämmerung) oder sehr hellem Sonnenlicht. Hier der Vergleich, rechts liegt das reMarkable Paper Pro, links das Kindle Scribe 1:
Zubehör im Fokus:
Das reMarkable Paper Pro in seiner minimalsten Ausführung kostet 649 Euro. Dafür bekommt man das Paper-Tablet an sich und natürlich den normalen Marker. Beim Paper Pro gibt es keine unterschiedlichen Hardware-Ausführungen, der Speicherplatz ist also stets 64 GB. Dafür kann man aber zwischen verschiedenen Folios, also Hüllen, wählen und/oder sich für den Marker Plus entscheiden.
Marker Plus
Der Marker Plus, den es für 50 Euro Aufpreis gibt, unterscheidet sich in drei Dingen vom Standard-Marker. Zum einen ist er farblich in Anthrazit und nicht in Lichtgrau gehalten. Zum anderen ist er laut reMarkable haptisch etwas griffiger gestaltet. Am wichtigsten ist aber, dass er über einen Radiergummi am oberen Ende verfügt. So muss man nicht extra mit dem Stift auf den Radiergummi in der Toolbar tippen, sondern kann einfach mit dem Stift radieren.
Ob sich das für einen persönlich lohnt, kommt darauf an, ob man die Bequemlichkeit des integrierten Radierers möchte – oder möglicherweise lieber einen anthrazitfarbenen Stift.
Type Folio
Das Type Folio gibt es in einer Farbe, die sich Basalt nennt. Das Besondere an dieser Hülle ist aber das Keyboard. Das kann beim Bestellvorgang in der gewünschten Sprachausführung gewählt werden, in meinem Fall war es also ein deutsches Keyboard. Das Type Folio schlägt mit 249 Euro Aufpreis deutlich zu Buche. Ich persönlich fand es hervorragend. Es war ohne weitere Installation mit dem reMarkable Paper Pro verbunden, hat bei der Einrichtung noch gefragt, ob ich Windows- oder Mac-Tastenverteilung wünsche und schon war alles einsatzbereit.
Das Keyboar verfügt über eine sanfte Tastenbeleuchtung, sodass man auch bei schlechteren Lichtverhältnissen gut tippen kann. Andererseits hebt das Type Folio das Gesamtgewicht des Paper Pro auf gut 1 Kilo an, was für ein Paper-Tablet natürlich schon eine Hausnummer ist.
Wer jetzt die Frage stellt, wofür man denn ein Keyboard braucht, wo das reMarkable doch explizit kein normales Tablet sein möchte: Wer sich mit dem reMarkable Paper Pro der schreibenden Muse hingeben möchte, vielleicht sogar Autor ist, für den ist so eine Tastatur auf Dauer schon eine sehr angenehme Sache.
Book Folio
Das Book Folio ist eine ganz normale Hülle, selbstverständlich auch mit Wake-Up für das reMarkable Paper Pro beim Aufklappen. Das Book Folio gibt’s dafür in verschiedenen Materialien. Das hochwertigste ist das Echtleder-Folio, das in Schwarz oder Braun für einen Aufpreis von 199 Euro erhältlich ist. Wer günstiger fahren möchte, für den gibt es noch das „Mosaik Weave“ für 149 Euro in drei Farben, darunter auch ein leuchtendes Blau, oder aber das schlichte „Polymer Wave“ für 99 Euro.
In Hinblick auf Zubehör ist das Book Folio übrigens das einzige, bei dem man sich auch jenseits der Website von reMarkable mal umschauen kann, wenn es etwas preisgünstiger sein soll. Das Type Folio ist markenspezifisch.
reMarkable Paper Pro: Testergebnis
Das reMarkable Paper Pro ist eines jener Produkte, bei denen ich ganz persönlich zwischen großer Liebe für die Schönheit des Produkts, Verständnis für den Gedanken dahinter und dem Ärger über fehlende State-of-the-Art-Details hin- und hergerissen bin. Die Haptik, das Design, das Schreiben, die Auswahl an Linierungen und in meinem Fall sogar ganz explizit das Type Folio und die damit verbundene Möglichkeit, voll konzentriert wie auf Papier zu tippen, haben mir sehr gut gefallen. Der Lifestyle-Ansatz der Entschleunigung, des Loslösens von Apps, E-Mails und ständiger Störung: großartig!
Dass E-Ink-Displays gerade bei Farbe noch lange nicht an das herankommen, was unsere verwöhnten Augen von OLED-Displays gewöhnt sind, stellt für mich kein Problem dar, ich greife zum E-Ink, weil ich das Ruhige vor Augen wünsche.
Aber diese Kleinigkeiten, wie das fehlende adaptive Frontlicht, der fehlende Dark Mode, der Zwang, per Wischen zu Blättern (und das leider mit echt nicht guter Reaktion) oder die teilweise einfach zu geringe Helligkeit des Frontlichts, sind Schnitzer, die ich mit dem Blick auf die blanke technische Vollkommenheit einfach schade finde und von denen ich bei einem Gerät dieser Preisklasse eigentlich erwarte, dass sie einfach da sind.